Kostümgeschichte

Die öffentliche Wahrnehmung ihrer individuellen Körperlichkeit und die Wirkmacht ihrer vestimentären Erscheinung endete für die frühneuzeitlichen Professoren und Studenten der Universität Jena nicht mit dem irdischen Leben. In Memorialdenkmalen, Porträtbildnissen und Kleidungsfunden aus dem Collegium Jenense bewahrte sich die physische Gestalt der Gelehrten aber auch ihre distinktive Kleidungskultur, deren modische Stilistik und repräsentative Materialität bis heute die damaligen sozialen, ökonomischen und kulturellen Strukturen an der Salana nachvollziehen lassen. Das richtige Maß an Kostbarkeit in der Professorenkleidung spiegelte dabei die als gottgegeben verstandene materielle Ordnung der Ständegesellschaft wider. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Kleidung in der Frühen Neuzeit für den individuellen Körper gefertigt wurde und so gehörte sie, ihrem hohen materiellen Wert und dem erforderlichen hohen Arbeitsaufwand in der Herstellung gemäß, zu den kostbarsten Besitztümern der Universitätsangehörigen. Die Wertigkeit und Komplexität der professoralen Kleidungsstücke indizieren zudem eine hochentwickelte handwerkliche Infrastruktur sowie die Möglichkeit des Konsums von importierten Luxusgütern, wie z.B. kostbarer italienischer und flämischer Spitze, im Raum Jena. Die besondere Quellenlage erlaubt eine multiperspektivische Auseinandersetzung mit der lokalen Kleidungskultur durch reziproke Schrift-, Objekt- und Bildanalysen, die historiographisch tradierte Lesarten frühneuzeitlicher Bekleidung neu hinterfragt, ergänzt und europäisch vergleicht. Dabei werden in der fortlaufenden Forschung Methodologien der Geschichte der Materiellen Kultur, der Kostümgeschichte und der Kunstgeschichte gleichermaßen berücksichtigt, um die zeitgenössische Bedeutung dieser Kleidersemiotik wieder nachvollziehbar zu machen.

Porträt Ortolph Fomann d. J. (Stil und Verarbeitung des Spitzenbesatzes des Kragens verweisen auf Genua als Produktionsort), unbekannter Maler, 1625, Öl auf Leinwand (Foto: G. Grond, FSU Jena).
Musterbuch für Klöppelspitze in norditalienischem Stil (“Teatro delle nobili et virtuose donne, dove si reppresentano varii disegni di lavori novamente inventatidisegnati»), Elisabetta Catanea, 1616, Metropolitan Museum of Art, New York (https://www.metmuseum.org/art/collection/search/661779?ft=catanea&offset=40&rpp=40&pos=46 (19.12.2022)).
Johann Arnold Friderici (Detail des Spitzenbesatzes, wahrscheinlich eine Antwerpener Klöppelspitzenborte zeigend), unbekannter Maler, ca. 1667, Öl auf Leinwand, Kustodie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Inventarnummer GP 93 (Foto: G. Grond, FSU Jena).
Klöppelspitzenborte, Flandern, ca.1640-1660, Leinen, Victoria & Albert Museum, London (Abbildungsnachweis: https://collections.vam.ac.uk/item/O291104/border-unknown/ (19.12.2022)).