Bauforschung
Zum Gebäudebestand des Kollegienhofes gibt es zahlreiche bildliche Darstellungen, die bislang früheste von Johann Dürr in Weigels Schrift „Himmelsspiegel“ aus dem Jahr 1661. Vor allem die historischen Zeichnungen aber auch ein umfangreicher Aktenbestand wurden in der Vergangenheit zur Erkundung und Interpretation der Baugeschichte des Areals herangezogen. Auf dieser Grundlage kam man wiederholt zu der Feststellung, dass außer der Klosterkirche bis 1945 keine vorreformatorischen Gebäude auf dem ehemaligen Klostergelände erhalten waren. In den Diskussionen um eine Datierung der einzelnen Gebäudeteile blieb der tatsächlich überlieferte Baubestand weitgehend unbeachtet.
Eine erste, durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege veranlasste Bauhistorische Untersuchung sollte zunächst das Alter des Dachwerkes über dem Gebäude der Senatsstube näher bestimmen. Schon im Rahmen einer ersten Begehung ließen sich eindeutige Hinweise auf einen mittelalterlichen, vor 1500 zu datierenden Baubestand beobachten. Dendrochronologische Untersuchungen jeweils primär verwendeter Hölzer datierten schließlich das Dachwerk mit einheitlichen Fälldaten als Wintereinschlag 1500/1501 -d-. Mit dem Wissen um eine konkrete Datierung sollte nun im Rahmen des Forschungsprojektes Collegium Jenense der aufgehende Bestand eingehender untersucht werden.
Die Haus- und Gefügeforschung spricht das Gebäude als die primäre Quelle an. Mit Hilfe der Dendrochronologie können schnell einzelne Bauetappen oder auch Gebäudeteile jahrgenau datiert werden. Beobachtungen an Oberflächen und an Konstruktionen geben Hinweise auf bauliche Veränderungen und bestenfalls auch Einblicke in Nutzungsabläufe. Da die Gebäude zum überwiegenden Teil in Nutzung stehen, sollten zunächst die Dachwerke mit der Senatsstube, der Dachreiter, der aus dem Dach der Senatsstube aufragt und der als Senatsstube bezeichnete Raum betrachtet werden. Bereits der Blick auf den Grundriss zeigt an, dass es im Obergeschoss des Massivbaus einen Material- und Konstruktionswechsel gibt. In diesem Zusammenhang ließ sich an dem ehemaligen Klostergebäude für das 16. Jahrhundert ein weitreichender Umbau feststellen. So wurden neben der Senatsstube zwei große Auditorien eingerichtet und die Decken auf jeweils zwei Stützenreihen mit Sattelhölzern und mächtigen dreiteiligen Unterzügen neu unterfangen. Dabei handelte es sich im Obergeschoss um das Auditorium für die Juristische Fakultät und im Erdgeschoss um den Hörsaal für die Philosophische Fakultät. Vermutlich ersetzten die zwei Stützenreihen eine frühere Mittelunterzugachse. Die Unterzüge waren ornamental gefasst. Währenddessen im Rahmen der sondierenden Untersuchungen an den Unterzügen des Obergeschosses nur fragmentarisch rotgrüne Farbfassungen festzustellen waren, zeigte sich am westlichen Unterzug über dem Erdgeschoss ein mäanderndes „Laufender Hund“ Motiv, welches zu Dokumentationszwecken auf einer größeren Befundfläche freigelegt wurde. Anhand der konstruktiven Merkmale lässt sich dieser Umbau vorläufig in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, vermutlich in die Gründungsphase der Jenaer Universität datieren.
Der heutige Dachreiter ersetzt 1698 -d- einen älteren der sich sowohl gefügekundlich als auch anhand überlieferter Darstellungen nachweisen lässt. Die Umfassungswände und die Decke der Senatsstube datieren 1811 -d-. Sie stellen eine bauliche Erneuerung dieses Gebäudeteils dar, möglicherweise an der Stelle einer ursprünglich aus Holz errichteten Stube.
Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammt das Dachwerk über dem Karzer Gebäude. Hier wurden die Hölzer für die Sparren und die Stuhlsäulen des stehenden Dachstuhls einheitlich im Winter
1687/1688 -d- eingeschlagen. Auch hier lässt sich auf der Abbildung von Johann Dürr bereits 1661 ein Gebäude nachweisen. Möglicherweise hat es an dem älteren Bestand Bauschäden gegeben, die eine neue Dachkonstruktion erforderlich machten. Auf der nach Süden gerichteten Giebelseite lässt sich ein früheres Traufgesims beobachten, welches auch hier auf einen noch mittelalterlichen Bestand hindeutet.
An der Stelle des heutigen Aula Gebäudes gibt es auf der Dürrschen Zeichnung ein deutlich kleineres Vorgängergebäude. Der heutige Bau mit großer Aula im Obergeschoss ist als ein Fachwerkgebäude über einem massiv angelegten Erdgeschoss errichtet worden. Um im Obergeschoss einen stützenfreien Saal einrichten zu können, wurde das Dachwerk als eine sogenannte Hängewerk-Konstruktion abgezimmert. An hohen, bis zum First abgestrebten Hängesäulen ist ein mächtiger Überzug aufgehangen, an dem dann die Deckenbalken befestigt wurden. Die Hängewerke in den Hauptbundachsen datieren zeitgleich mit dem umgebenden Dachwerk mit einheitlichen Fälldaten 1760/1761 -d-. Auch das Aula Gebäude wurde mehrfach, zum letzten Mal in den 1990er Jahren baulich verändert. Bereits im 18. Jahrhundert, vermutlich kurz nach der Errichtung ist das Fachwerkobergeschoss in eine deutliche nach Süden gerichtete Schieflage geraten. Baulich reagierte man mit einer zweiten, auf den Innenseiten der Außenwände angeordneten Fachwerkebene. Der Aula-Saal existierte bis in die 1930er Jahre bevor durch Trennwände eine kleinteilige Raumstruktur für den Lehrbetrieb eingerichtet wurde.
Die Bauforschung und die restauratorischen Untersuchungen kommen zunächst zu vorläufigen Ergebnissen, die auf einen weiterführenden Untersuchungsbedarf hinweisen. Sollten an den Gebäuden des Collegium Jenense in den nächsten Jahren bauliche Maßnahmen geplant werden, sollten die bislang sondierenden Befundungen in der Fläche und in ihrer Tiefe erweitert und die Baugeschichte zielgerichtet erkundet werden.